Heute, der erste Tag der Zukunft

Heute, der erste Tag der Zukunft

In den USA hat eine bewegende Trauerfeier für den ermordeten konservativen Influencer Charlie Kirk stattgefunden. Linke Medien changierten bereits unmittelbar nach Kirks Tod zwischen vagen Andeutungen, er habe seine Ermordung in gewisser Weise selbst provoziert, und dann wieder anderen Andeutungen, wonach der Täter eigentlich dem rechten politischen Spektrum zugeordnet werden müsse. Beides also durchschaubare „Geschieht ihm recht“-Strategien, in denen die Häme sich kaum hinter dem erhobenen Zeigefinger versteckt, der insinuieren soll, es könne jeden treffen, wenn er nur die falsche Meinung habe. In ihrer Eile, die Tat von sich selbst weg zu rationalisieren, wartete die linke Meinungsmaschinerie nicht einmal bis nach der Beisetzung des Opfers. Das hätte zwar den Komplett-Ausfall an Empathie ohnehin nicht besser gemacht, ist aber zumindest noch ein weiterer Reminder für die strukturelle Verrohung des Diskurses.

Es ist völlig unerheblich, welchem politischen Spektrum der Täter zugerechnet werden kann oder ob er überhaupt irgendeine politische Agenda mit seinem Mord verfolgte. Ausschlaggebend ist, dass ein Aktivist getötet wurde, der die offene Bühne suchte, um zu diskutieren. Um Fragen und Argumente anzuhören und auf diese zu antworten. Und der damit die Möglichkeit offen ließ, sich später erneut zum Gespräch treffen.

Doch mit dergleichen Tatsachen braucht man bestimmten Gruppen in der öffentlichen Auseinandersetzung nicht zu kommen. Wenn schon Charlie Kirks Ermordung in ihrer verqueren linken Logik seine eigene Schuld war, dann ist es nur folgerichtig, die Trauerfeier für ihn zu einem Veitstanz einer religiösen Sekte am Vorabend der faschistischen Machtübernahme in den USA umzudeuten. Niemand, der seine Sinne beisammen hat, kann ernsthaft annehmen, die USA stünden tatsächlich vor einem solchen totalitären Systemwechsel.

Womit Linke sich schwer tun, ist der Umstand, dass eine Trauerfeier in all ihrem öffentlich gelebten intensiven Gefühl möglicherweise genau das ist: eine kollektive, empathische Bekundung von Zusammengehörigkeit. Eine Beschwörung von Nachbarschaftlichkeit und von Vereintsein in der Trauer. Es ist verständlich, dass diese Art von Gemeinschaft, von Gemeinsinn, Menschen befremdlich erscheint, die in dem Glauben sozialisiert wurden, das Abstraktum „Staat“ sei die einzig zuständige Instanz für die Verarbeitung von Unglück. Verständlich, aber trotzdem nicht zukunftsfähig.

Große Teile unserer Gesellschaft kennen Phänomene wie Nachbarschaftshilfe, Zusammenhalt im direkten zwischenmenschlichen Umfeld mittlerweile kaum mehr. Sicher, es gibt Vereine, es gibt das, was staatliche Institutionen in so liebevoll amtlicher Wortwahl als „zivilgesellschaftliches Engagement“ bezeichnen. Aber ein über staatliche Organisationen hinausreichender Wertekonsens, ein Fundament gemeinschaftlicher Weltanschauung, die darauf beruht, dass diese nicht jeden Tag neu ausgehandelt werden kann – Fehlanzeige. Die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ mit all ihren Vorzügen – dem Schutz des Individuums vor willkürlichen Zugriffen durch den Staat und seinen Institutionen – funktioniert nicht ohne ein Bekenntnis zu einem Wertekanon, dessen Gültigkeit man bei seinen Familienangehörigen, Freunden, Bekannten, Nachbarn, Kollegen, dem Menschen, dem man in der U-Bahn zufällig gegenüber sitzt, unausgesprochen voraussetzen kann.

Was wir bei der Trauerfeier für Charlie Kirk gesehen haben, ist das große, vielleicht jetzt in aller Macht wiederkehrende Momentum von zwischenmenschlicher Überzeugung, dass wir einen Gemeinsinn brauchen. Wir, als Gesellschaft. Wir, als jedes Individuum, die wir in einer Gesellschaft leben.

Was, wenn genau an dieser Bruchstelle der Culture-Clash zwischen „links“ und „konservativ“ stattfindet? Menschen, die sich auf ein außerhalb des Staates stehendes, privates Wertesystem berufen, dessen Überzeugungen sie sich gemeinschaftlich versichern, sehen in einem Staat ein ordnendes System, das eigene Kernaufgaben hat. Aber eben keinen Zugriff haben darf auf das Leben der Menschen. Wir erinnern uns an eine außer Rand und Band geratene Politik, die in der Covid-Zeit ihre Fürsorgepflicht plötzlich schrankenlos in einen Fürsorgeanspruch erweiterte. Als ob man Bürgern, die freie Menschen sind, kein Anrecht auf eigene Entscheidungen und kein Verantwortungsgefühl zubilligen dürfe.

Wohin es führt, wenn Bürger einen Staat alle Aufgaben übernehmen lassen, die natürlicherweise in die Zuständigkeit des Zwischenmenschlichen fallen, lässt sich an der mittlerweile ebenfalls schrankenlosen Dysfunktionalität eines solchen Staates erkennen: Es vergeht kaum noch ein Tag, an dem Politiker (vor allem diejenigen, die derzeit als Regierungsvertreter die unangenehme Aufgabe haben, den Bürgern schluckweise reinen Wein einzuschenken) die Deutschen auf härtere Zeiten einstimmen – und auf die Übernahme von Eigenverantwortung. Plötzlich also doch. Die Rente reicht nicht. Und das Gesundheitssystem, genauer: seine Kosten, fliegen uns um die Ohren. Der Staat kann es einfach nicht. Nur so recht aussprechen will es keiner. Noch.

Die USA hatten dieses Level an Staatsgläubigkeit bislang nicht, wie sie in Ländern wie Deutschland vorherrscht. Und jetzt, da sich herausstellt, dass staatliche Institutionen ihre Versprechen von der vollständigen Abschaffung von Eigenverantwortlichkeit nicht einlösen können, haben die USA eine gesellschaftliche Alternative. Die Alternative eines gesellschaftlichen Bekenntnisses, in dem der Einzelne im Zentrum steht, mit all seiner Gefährdung und Eigenverantwortung, aber auch mit all seinen Chancen und Optionen für die Zukunft. Und diese Alternative wird immer deutlicher erkennbar – besonders eindrucksvoll jetzt, als große Teile des amerikanischen Volkes vereint waren in der Trauer um einen der Ihren, der ermordet wurde.

Nein, ein Trauergottesdienst ist nicht dasselbe wie der Vorabend einer faschistischen Machtübernahme. Ein Trauergottesdienst ist ein Trauergottesdienst. Und die zwanghafte Umdeutung, ein jedes öffentliches Bekenntnis zu Werten wie Redefreiheit, Achtung vor dem Leben, offenem Meinungsaustausch und Verantwortungsübernahme sei nichts anderes als eine böse, reaktionäre Veranstaltung, ist entweder grassierende Angst vor dem Verlust der Deutungshoheit. Oder einfach nur dumm und fremdbestimmt.

Charlie Kirks großes Vermächtnis ist die Offenheit des Diskurses. Der Optimismus, sich abseits widerstreitender Meinungen doch auf einen Konsens zu einigen. Von diesem aus weiterzugehen, zu noch mehr Einigkeit und gegenseitigem Respekt. Sein Vermächtnis ist die Möglichkeit, wieder zurückkehren zu können, zum nächsten Gespräch, zur nächsten Versöhnung. Die Amerikaner, das hat seine Trauerfeier gezeigt, spüren, wie gut es tut, in Trauer vereint diese Lehre leben zu können.